Ganesha, der populäre Glücksbringer

Der vielfach ausgezeichnete Journalist und Autor Peter Jaeggi begibt sich für ein Buchprojekt auf eine weitere Recherechereise nach Sri Lanka und Indien. Was treibt ihn an?

Peter Jaeggi, du hast auf deinem Computer 2374 Dateien über Ganesha angelegt. Woher kommt dein Interesse an dieser Gottheit?
Es gibt diese schöne Legende von Ganeshas Eltern, Shiva und Parvati, die ihre beiden Söhne – Ganesha und seinen Bruder Kartikeya – zu einem Wettkampf ermunterten: «Wer die Erde am schnellsten umrundet, dem schenken wir grosse Weisheit.» Kartikeya schwingt sich sofort auf seinen schnellen Pfau und fliegt davon. Ganesha hingegen bleibt still auf seinem kleinen Reittier sitzen – einer unscheinbaren Maus. Er schaut seinem Bruder nach, umrundet dann auf seiner Maus seine Eltern und meint: «Für mich seid ihr die Welt. Alles beginnt und endet mit euch.»
Wenn es Schlüsselerlebnisse gibt, dann sind es faszinierende Geschichten wie diese, die sich um Indiens populärste Gottheit ranken. Sie begegnen und begleiten mich seit Jahrzehnten auf meinen vielen Indien-Recherchereisen.

Das hinduistische Götterpantheon ist reich an spannenden Figuren. Weshalb hat es dir gerade Ganesha angetan?
Es ist seine Popularität. Er ist so beliebt, dass ihn sogar Christen und Muslime verehren. Ganesha ist gewissermassen ein Gott für alle – und für alle Fälle. Er verspricht, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, er verspricht Erfolg und Glück und gutes Gelingen. Zudem ist er ein Gott der Weisheit – nun, wer braucht die nicht?

Was ist dein eindrücklichstes Erlebnis mit Ganesha?
Es ist ein wiederkehrendes Ritual. Einer meiner besten indischen Freunde lebt im südlichen Kerala. In der Nähe seines Wohnortes steht ein uralter Ganesha-Tempel. Jedes Mal, bevor wir gemeinsam zu einer Reise aufbrechen, bringt er mich zum Tempel. Dort kauft man für ein paar Rupien eine Kokosnuss und schleudert sie auf einen vorgegebenen Punkt, sodass sie in tausend Stücke zerspringt.
Über die Bedeutung dieser Opfergabe wird gesagt: «Die Kokosnuss steht für unser Leben, das weisse Innere für das Herz, während das Kokoswasser unsere schlechten Gewohnheiten symbolisiert.» Zerschmettert man die harte Nuss, entledigt man sich symbolisch weltlicher Bindungen und erhält dafür den Segen von Ganesha.

Du hast als Autor schwierige Themen recherchiert und publiziert, etwa die Folgen des Vietnamkriegs oder der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Weshalb erweiterst du nun deine Recherchen für ein Buch über Ganesha?
Im Gegensatz zu all meinen bisherigen Büchern geht es hier für einmal nicht um Elend und Katastrophen, sondern um ein faszinierendes Stück Kultur eines Landes, das ich schon so lange bereise. Indien wird in unseren Breitengraden immer wichtiger. Allein in der Schweiz gibt es etwa 25 Hindutempel, Hunderttausende Inder reisen jedes Jahr in die Schweiz, es gibt immer mehr indische Restaurants, und fast 400 Schweizer Firmen treiben Handel mit Indien.
Mit einem Buch über Ganesha kann man viel über eine uns fremde Kultur erzählen – in der Hoffnung, eine kleine Brücke zwischen verschiedenen Welten zu bauen.

Am 21. August trittst du deine Reise an. Gibt es ein absehbares Highlight?
Ich freue ich mich auf die vielleicht gigantischste Götterparty der Welt: Ende August, Anfang September wird jeweils das zehntägige Ganesha-Fest gefeiert. Allein in Mumbai sind an manchen Tagen bis zu drei Millionen Menschen unterwegs.