
Erfahre, wie manipulierbar wir sind
Das Unbewusste steuert das Bewusste stärker, doch Bewusstsein ermöglicht es, das Unbewusste zu korrigieren.
Im deutschsprachigen Raum ist das Unbewusste stark präsent – geprägt von Pionieren wie Sigmund Freud und Carl Gustav Jung. Im Kalten Krieg weckte die Annahme, Menschen seien über ihr Unbewusstes manipulierbar, auch das Interesse von Geheimdiensten und der Marketingforschung. 1957 sorgte der Marketingexperte James Vicary international für Aufruhr: Er behauptete, ein Kino in New Jersey habe 18 Prozent mehr Cola- und 58 Prozent mehr Popcorn-Verkäufe erzielt, weil das Publikum während des Films in kurzen, nicht bewusst wahrnehmbaren Sequenzen dazu angeregt wurde.
Nicht so manipulierbar, wie manche hofften
Fünf Jahre später gab Vicary zu, dass das Experiment Betrug war – eine PR-Aktion für seine neu gegründete Agentur. So scheiterte denn auch der 1958 durchgeführte kanadische Fernsehversuch, Zuschauer mit einer unbewussten Botschaft zum Anrufen zu bewegen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass wir uns durch unbewusste Eingebungen nicht dazu bringen lassen, komplexe Tätigkeiten wie Telefonieren oder Einkaufen zu verrichten.
Und doch lassen wir uns beeinflussen
Ein geschickter Marketingimpuls vermag indes Kaufentscheidungen durchaus beeinflussen. Ein wichtiger Faktor dafür ist, ob wir etwas bereits kennen. In Experimenten bevorzugten Probanden beispielsweise Formen, die man ihnen zuvor unbewusst gezeigt hatte. Und Teilnehmer eines weiteren Experiments schätzten jene Personen als berühmter ein, deren Fotos sie zuvor schon gesehen hatten.
Solche Präferenzen entstehen durch Priming – unbewusste Vorbereitungen einer Informationsverarbeitung, ausgelöst durch Bilder, Gerüche, Gesten oder Worte, die Verbindungen mit Gedächtnisinhalten anstossen. Dieser unbewusste Informationsmix beeinflusst bewusste Entscheidungen und kann zu Herausforderungen führen. Beispielweise, wenn Kindern beigebracht wird, dass Süssigkeiten belohnen und Stress mildern. Oder wenn eine intensive Erfahrung die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten prägt. Bei mir beispielsweise (ja, es ist banal und ich finde es längst lustig) lachte gelegentlich die ganze Schulklasse, wenn ich einen Ball einmal mehr total daneben warf. Bälle sind nicht mein Ding. Gelegentlich komme ich jedoch zum Schluss: «Vergiss das Priming» und schaffe es, den Ball siegreich zu platzieren.
Mit Achtsamkeit Unbewusstes erkennen
Der Punkt ist, dass uns das Unbewusste prägt. Dass wir aber mit Bewusstsein darauf Einfluss nehmen können. Damit dieser Prozess aktiviert werden kann, ist Achtsamkeit gefragt: Wo stolpere ich immer wieder?
Das Interesse an der Beeinflussung des Unbewussten ist gross. Joseph Murphy (1898–1981) popularisierte mit «Die Macht Ihres Unterbewusstseins» das positive Denken und die Idee, das Unbewusste durch Affirmationen und Autosuggestionen aktiv mitzugestalten. Doch dieser Ansatz löst auch Kritik aus. So halten etwa die deutschen Psychotherapeuten Günter Scheich und Klaus Walle in ihrem Buch «Positives Denken macht krank» fest, dass Misserfolge, Rückschläge und Niederlagen nun mal zum Leben gehören und als solche zu akzeptieren und zu integrieren sind. Ich finde, das eine schliesst das andere nicht aus.
Mehr dazu in meinem Buch