
Foto von Kelvin Zyteng auf Unsplash
Als Kind liebte ich das Lied «Die Gedanken sind frei». Was Freiheit für das Menschsein bedeutet, beschäftigte mich aber erst auf der Reise von Thailand nach Malaysia.
Ich sinnierte also 1985 unter den Palmen am feinsandigen Strand von Ko Phangan über die Freiheit, die ich mir seit dem Start meiner beruflichen Tätigkeit durch fünf Jahre langes konsequentes Sparen ermöglicht hatte: eine mindestens 12-monatige Reise. In erster Linie aber Zeit und Freiheit.
Mit 22 Jahren gab es zum ersten Mal nichts, was ich zu tun und zu lassen hatte. Ich realisierte, dass mich die ersehnte Reise nicht nur in ferne Länder, sondern auch zu mir selbst bringen würde.
Ich setzte von der thailändischen Insel zum Festland über und fuhr in einem Bus Richtung Süden nach Malaysia.
Wozu Steuern bezahlen?
Teilweise fuhr der Bus über eine breite Schneise voller Schotter. Jahre später auf demselben Weg entpuppte sie sich als mehrspurige Autobahn. Vorerst jedoch holperte der Bus, dann hustete er, und schliesslich blieb er im Nirgendwo stehen. Die Fahrgäste suchten Schatten und übten sich in Geduld.
Während der Zwangspause realisierte ich erstmals, dass die Steuern, die ich offen gestanden höchst ungern einzahlte – weil die Abgaben mein Reisebudget schmälerten – dass also die Steuern in der Schweiz offenkundig sinnvoll eingesetzt werden. Eine funktionierende Infrastruktur ist ein wesentlicher Aspekt von Freiheit. Freiheit, in einer Schule lernen zu dürfen, Freiheit, eine Sporthalle oder eine Bibliothek zu nutzen, Freiheit, im Notfall ärztliche Hilfe zu erhalten oder auch einfach nur in nützlicher Frist von A nach B zu gelangen…
Bringt Freiheit Frieden?
Erste Station in Malaysia war Penang. Ich war überwältigt von der Vielfalt in der Inselhauptstadt George Town. Natürlich war schon Thailand fremd und exotisch für mich. Das Land wirkt aber (bis auf die Touristen) homogen, eben thailändisch, von der Religion über das Essen zur Zusammensetzung der Bevölkerung.
In George Town hingegen mischen sich Einflüsse von Malaien, Chinesen, Indern und Europäern in den Gesichtern der Passanten, in der Architektur, der Religion und in der Küche. Dieses Miteinander, Durcheinander und Nebeneinander imponierte – nicht nur mir: Die Unesco ernannte die Altstadt von George Town aufgrund der einzigartigen Architektur und des friedlichen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlichster Kulturen 2008 zum Weltkulturerbe.
Wem gehört das Land?
Auf dem Weg zu diesem friedlichen Miteinander gab es aber auch innere und äussere Konflikte zu bewältigen. Der britische Entdecker Francis Light hatte in den 1770er Jahren dem Sultan von Kedah militärische Unterstützung in einem Konflikt mit den Nachbarländern angeboten. 1867 wurde ganz Malaysia zur britischen Kronkolonie. 90 Jahre später gewann das Land seine Unabhängigkeit zurück.
So hübsch die chinesischen Handelshäuser, das Fort und die Kolonialstilhäuser in George Town anzusehen sind, machte ich mir erstmals Gedanken über Kolonialismus. Haben Länder ein Recht auf Freiheit? Wer definiert sie und wie wird sie gelebt? Was dürfen Staaten von ihrer Bevölkerung fordern, was bieten sie dafür an?
Wie die Reise weiterging, erfährst du im Abo